Wer soll das bezahlen? Vielleicht ... - Teil 3
von Redaktion Familienbund
Der Countdown zur Bundestagswahl am 26. September 2021 läuft. Diese Zeit möchten der Caritasverband und der Familienbund im Erzbistum Paderborn nutzen, um Möglichkeiten der Finanzierung unserer Sozialversicherungen zu beleuchten. Hierzu haben wir einige Statements von Fachfrauen und -männern aus Verbänden und Parteien angefragt, die wir wöchentlich vorstellen. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Positionen, sondern zeigen die Vielschichtigkeit des Themas durch unterschiedliche Facetten und Sichtweisen auf.
Ein einheitliches Versicherungssystem: Rechnet sich das?
Der Deutsche Caritasverband spricht sich für eine grundlegende Reform der Finanzierung der Krankenversicherung durch die Schaffung eines einheitlichen Versicherungssystems aus. Dabei sollen gesetzliche und private Krankenversicherung nach den gleichen Prinzipien funktionieren: einheitlicher Leistungskatalog, keine Risikoprüfung, keine risikoadjustierten Beiträge und Prämien, Möglichkeit von Zusatzversicherungen für nicht im Leistungskatalog enthaltene Leistungen. Es sei darauf hingewiesen, dass viele Privatversicherte nicht wissen, dass sie bestimmte Leistungen, die gesetzlich Versicherte erhalten, auch bei hohen Prämien im Regelfall von der PKV nicht oder nur eingeschränkt erhalten, wie z.B. Reha, Präventionsleistungen, Psychotherapie, häusliche Krankenpflege, auch Hilfsmittel.
Gegenwärtig sind die Privatversicherten jedoch aufgrund der attraktiveren Vergütungsstrukturen für die Leistungserbringer im Krankenversicherungssystem privilegiert. Diese Fehlanreize gilt es zu beseitigen. Ein wesentlicher Schritt in Richtung einer einheitlichen Versicherung ist die Anhebung – nicht Aufhebung (!) – der Beitragsbemessungsgrenze. Eine vollständige Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze würde zwar nicht das Solidarprinzip, aber das gleichermaßen zu beachtende Äquivalenzprinzip meiner Ansicht nach verletzen. Dieses besagt, dass die eingezahlten Beiträge in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen aus dem System stehen müssen, was bei sehr gut Verdienenden nicht mehr gewährleistet wäre. Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, z.B. in einem ersten Schritt auf das Niveau der GRV – derzeit ca. 85.000 West und 80.000 Ost – hingegen ist angemessen. Gleichzeitig muss die Versicherungspflichtgrenze auf dasselbe Niveau angehoben werden. Eine gleichzeitige Anpassung von Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze ist wichtig, damit Besserverdienende bei Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze nicht in die private Versicherung abwandern.
Für eine einheitliche Versicherung ist die Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten von fundamentaler Bedeutung. Sie machen fast die Hälfte des Versichertenkreises der PKV über die Beihilfe aus. Beamtinnen und Beamte haben aufgrund des Beihilfesystems gegenwärtig keine andere Wahl als sich privat zu versichern, denn der Dienstgeber zahlt nur im Krankheitsfall und nicht, wie Arbeitgeber bei Angestellten, von Haus aus die Hälfte des Versicherungsbeitrags. Beamtinnen und Beamte machen immerhin die Hälfte aller PKV-Versicherten aus. Eine Bertelsmann-Studie aufgezeigt, dass die Zahlung eines Dienstgeberbeitrags statt der Beihilfe Bund und Länder sogar um 60 Milliarden Euro entlasten würde, denn das Gros der Beamten sind kleinere und mittlere Beamte: 67 Prozent der bislang privat versicherten Staatsbediensteten würden unter die (bestehende) Pflichtversicherungsgrenze fallen, weitere 21 Prozent würden freiwillig in die GKV wechseln. Lediglich 12 Prozent, so die Schätzungen, würden in der PKV verbleiben. Es sei angemerkt, dass es auch viele Fälle von schwerst-chronisch kranken Beamten gibt, die sich wegen der hohen Risikozuschläge der PKV gar nicht im privaten System versichern konnten und somit den Arbeitgeberanteil in der GKV aus eigener Tasche zahlen müssen. Professor Kingreen merkt zu Recht an, dass genau diese Benachteiligung von Beamten mit Behinderungen verfassungswidrig sei, da nicht mit Art. 3 Absatz 3 S. 2 GG vereinbar.
Neben den Beamtinnen und Beamten müssten natürlich auch die Selbständigen in ein einheitliches Versicherungssystem einbezogen werden und einkommensgerecht verbeitragt werden. Für die Caritas ist wichtig, dass alle Menschen einen Krankenversicherungsschutz erhalten, also auch die Beitragsschuldner, obdachlose Menschen und Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität. Eine Versicherung für alle!
Ein drittes Element, das man überlegen könnte, wäre die Einbeziehung weiterer Einkommensarten über das Arbeitseinkommen hinaus.
Prof. Rothgang hat einem kürzlichen Gutachten für die Bundestagsfraktion die LINKE errechnet, dass die Erweiterung des Versichertenkreises, die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und die Einbeziehung weiterer Einkommensarten zu einer Absenkung die Beiträge in der GKV in Höhe von 2,3 Prozent führen würde (Vergleichszeitpunkt: 2018). Alternativ könnte man mit den gewonnenen Spielräumen auch die Leistungen verbessern.
Berlin, 22. Juli 2021 / Dr. Elisabeth Fix