Wer soll das bezahlen? Vielleicht ... - Teil 5

von Redaktion Familienbund

Der Countdown zur Bundestagswahl am 26. September 2021 läuft. Diese Zeit möchten der Caritasverband und der Familienbund im Erzbistum Paderborn nutzen, um Möglichkeiten der Finanzierung unserer Sozialversicherungen zu beleuchten. Hierzu haben wir einige Statements von Fachfrauen und -männern aus Verbänden und Parteien angefragt, die wir wöchentlich vorstellen. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Positionen, sondern zeigen die Vielschichtigkeit des Themas durch unterschiedliche Facetten und Sichtweisen auf.

Wer soll das bezahlen? Zur Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung stellt ein solidarisches System zur umfassenden Versorgung aller Mitglieder im Krankheitsfall dar. Jeder zahlt proportional zum Einkommen ein und bekommt dennoch am Ende die gleiche Leistung. Solidarisch ist die GKV auch in Hinblick auf besondere Lebenssituationen und Lebensphasen. So sind Kinder grundsätzlich kostenfrei mitversichert ebenso Ehepartner ohne eigenes Einkommen. Eltern in Elternzeit ohne eigenes Einkommen zahlen ebenfalls keine Beiträge.
Die Versicherung lebt von der Zahl der Einzahler und der Höhe ihrer Beiträge. Ab Einkommen über der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze ( aktuell 4.837,50 Brutto im Monat) steigt der Krankenkassenbeitrag nicht mehr. Wer mehr verdient, kann in eine private Krankenversicherung wechseln. Das ist jedoch für Menschen mit Kindern oder mitversicherten Partnern unattraktiv, da die Mitversicherung der Familienangehörigen wegfällt. Ebenso geht man ein gewisses Risiko ein, im Alter die Beiträge in der Privaten Krankenkasse (auch den Mindestbeitrag) nicht mehr zahlen zu können.
Die gesetzliche Pflegeversicherung ist demgegenüber keine Vollversicherung, sondern erstattet jeweils nur einen Teil der Pflegekosten. Andere Prinzipien sind analog zur GKV.

Aus dieser Perspektive ist die Weiterentwicklung der solidarischen Versicherungen zu einer Bürgerversicherung, die alle einschließt, sicher attraktiv. Auch die jeweilige Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze an die realen Lohn- und Preisentwicklungen ist wichtig, damit der solidarische Beitrag der gut Verdienenden im System zum Tragen kommt. Die Abschaffung der Privatversicherung ist ein langer Weg – allein in Bezug auf die BeamtInnen – , der differenziert betrachtet werden muss.

Besonderen Handlungsbedarf gibt es in Bezug auf die Pflegeversicherung. Das Teilleistungsprinzip führt dazu, dass viele Familien – meist sind es Frauen – große Anteile der Pflege selbst übernehmen. Im Gegensatz zur Elternzeit sind sie während länger andauernden Pflegezeiten ohne Erwerbstätigkeit nur dann krankenversichert, wenn sie über einen Partner familienversichert sein können. Hier bedarf es dringend der Nachbesserung.

Insgesamt stellt die beitragsfreie Mitversicherung für Frauen eine Hürde zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit dar. In vielen Fällen entscheiden sich verheiratete Frauen deshalb zur Annahme eines Minijobs, der ihnen jedoch keine eigenständige Existenzsicherung ermöglicht. Hier müssen z.B. durch die Abschaffung der Minijobs deutliche Anreize für eine eigenständige Existenzsicherung und auch Sozialversicherung im Anschluss an Elternzeiten gegeben werden. Auch das trägt zur Erhöhung der BeitragszahlerInnen bei.

Besorgniserregend ist der steigende Anteil an Menschen in Deutschland, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keine Krankenversicherung haben und denen so der Zugang zu Gesundheitsleistungen verwehrt ist. Hier gibt es Handlungsbedarf.
Insgesamt ist das solidarische, umlagefinanzierte und selbst verwaltete System der Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland ein hohes Gut, das unbedingt erhalten und ausgebaut werden sollte.


Dr. Heide Mertens, Referentin Armutsprävention/Existenzsicherung von Frauen
Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V.

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