Familienpolitik

Stoppt Kinderarmut

Eine Initiative des Familienbundes der Katholiken im Erzbistum Paderborn e.V.

Wann gilt ein Kind als arm?

2,4 Millionen Kinder in 1,4 Millionen Haushalten waren 2007 in Deutschland vom Risiko materieller Kinderarmut betroffen. Zur Gruppe der Armen zählt ein Kind dann, wenn in seiner Familie das anteilige Einkommen geringer als 60 % des mittleren Einkommens im Land ist. Dies betrifft in Deutschland ewa 18 % der unter 18-Jährigen. Seit dem Jahr 2000 sind die Armutsquoten deutlich angestiegen.
Neben der materiellen Armut gbt es viele weitere Ausprägungen der Armut. Dazu zählen z.B. fehlender Zugang zu Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten. Oft treten verschiedene Armutsformen in einer Familie zusammen auf.

Wo liegen Gründe für materielle Kinderarmut?

Ein hohes Armutsrisiko haben Kinder aus Familien, die Grundsicherung für Arbeitsuchende (auch als Arbeitslosengeld II (ALG II) oder „Hartz IV“ bezeichnet) beziehen. Das Armutsrisiko steigt zudem in Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil. Über ein Drittel aller Kinder in diesen Haushalten ist davon betroffen. Ein höheres Armutsrisiko beseht außerdem für Kinder mit zwei und mehr Geschwistern sowie für Kinder mit Migrationshintergrund.
Oft unterschätzt wird die Erwerbsbeteiligung in einkommensarmen Haushalten: Bei mehr als 60 % der in Paarhaushalten lebenden armen Kinder ist mindestens ein Elternteil erwerbsätig. In Ein­eltern­haushalten mit armen Kindern ist der Elternteil zu mehr als 30 % erwerbstätig.

Welche Hilfemöglichkeiten bestehen bereits?

Ein wesentliches Instrument ist der sogenannte Kinderzuschlag. Er beträgt bis zu 140 Euro pro Kind und Monat und wird dann gezahlt, wenn die Eltern mit ihrem eigenen Einkommen zwar für sich selbst nicht auf Leistungen zur Grundsicherung angewiesen sind, aber wegen des Unterhalts für die Kinder die Familie insgesamt auf Grundsicherung angewiesen wäre. Der Kinder­zuschlag wird jedoch in fast allen Fällen nur erheblich reduziert gezahlt oder entfällt ganz. Dafür sorgen ein kompliziertes System aus Mindesteinkommen, Höchsteinkommen, Einkommensanrechnung mit Abschmelzrate sowie Mindesbetrag bzw. „Abbruchkante“. So werden z.B. an eine Familie mit 3 Kindern Beträge unter 210 Euro pro Monat überhaupt nicht ausgezahlt.
Bei dieser Rechtslage ist es nicht verwunderlich, dass auch das Antragsformular äußerst kompliziert gestaltet ist.
Nur ewa 12 % der Anträge wurden überhaupt bewilligt – mit einem durchschnittlichen Zahlbetrag von 93 Euro. Viele Familien wurden stattdessen auf Grundsicherung verwiesen. Trotzdem lohnt es sich, einen Antrag bei der Kindergeldkasse („Familienkasse“) der örtlich zuständigen Arbeitsagentur zu stellen.
Neben dem Kinderzuschlag kann auch ein Anspruch auf Wohngeld bestehen Die Bewilligungs­voraus­setzungen sind mit steigender Anzahl der Familien­mitglieder eher erfüllt.

Was fordert der Familienbund?

Der Familienbund erhebt u.a. vier Forderungen, deren Erfüllung zur Eindämmung der materiellen Kinderarmut beitragen soll:

  • Kurzfristig soll der Kinderzuschlag wesentlich ausgeweitet werden: Die Mindesteinkommensgrenze soll wegfallen. Die „Abbruchkante“ und der Mindestzahlbetrag sollen ebenfalls wegfallen und es soll ein Wahlrecht für alle betroffenen Familien zwischen Grundsicherung (z.B. ALG II) und Kinderzuschlag geben. Die antragannehmende Stelle, zumeist die Familienkasse der Arbeitsagentur, soll die Familien eingehend über ihre Möglichkeiten beraten.
  • Auf mittlere Sicht fordert der Familienbund für alle Kinder ein einheitliches monatliches Kindergeld von 300 Euro, das um bedarfsorientierte Zusatz­leisungen ergänzt wird. Mit dieser Maßnahme würde sich die materielle Siuation aller Familien verbessern. Gleichzeitig würden sehr viele Familien mit ihrem verfügbaren Einkommen die Armutsgrenze überschreiten. Dadurch würden andere soziale Ausgleichszahlungen wie der Kinderzuschlag oder ALG II als Aufstockungsbeträge entfallen.
  • Beim ALG II und der Sozialhilfe sollen die Regelsätze für Kinder nicht mit einem pauschalen Abschlag aus dem Regelsatz für Erwachsene abgeleitet werden. Stattdessen sollen eigen­ständige Regelsätze für Kinder ermittelt werden. Ein geeignetes Modell hat der Deutsche Caritas­verband bereits im Herbst 2008 vor­gesellt. Dadurch wird der spezifische Bedarf von Kindern (z.B. für Schulsachen und für häufi­geren Kauf neuer Schuhe als bei Erwachsenen) genauer berücksichtigt. Bisher werden die Regelsätze allein aus dem Verbrauchsverhalten alleinstehender Erwachsener berechnet. Das Bundesverfassungsgericht hat diese seit langem vom Familienbund vertretene Auffassung in seinem Regelsatz-Urteil vom 09.02.2010 besätigt und den Gesetzgeber aufge­fordert, bis Ende 2010 die Berechnung der Kinderregelsätze nach deren spezifischem Bedarf auszurichten.
  • Die Ausdehnung des Elterngeldes auf die früher beim Erziehungsgeld gewährte Bezugsdauer von 24 Monaten und die Anhebung des Mindest­betrages auf 600 Euro könnten dazu beitragen, Armut in den ersen Jahren nach der Geburt eines Kindes zu verhindern.

An wen kann man sich wenden?

Beratung: Örtliche Caritasverbände
Kinderzuschlag: Familienkasse der Arbeitsagentur
Grundsicherung: örtliches Sozialamt und/oder Arge von Sozialamt und Arbeitsagentur

Was ist sonst noch zu tun?

Neben einer ausreichenden materiellen Ausstattung ihrer Familien brauchen Kinder zusätzlich gute gesellschaftliche Rahmenbedingungen für ihre Entwicklung. Hier sind Bund, Länder und Kommunen gemeinsam gefordert. Dazu gehören z.B. günstige Lernmittel, kostengünstiges und nahr­haftes Schulmittagessen, günstige Nahverkehrstarife, Ganztagsangebote, Schulkinderbetreuung mit Hausaufgabenhilfe, Musik- und Sportangebote sowie Kulturveranstaltungen.

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessert die Chancen für eine gute Zukunft.

Nach oben